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Frontantrieb oder Hinterradantrieb

Tandemachser oder Zwillingsreifen

Ja, es ist ein Glaubenskrieg. Jeder Bekenner zur jeweiligen Antriebsart ist vermeintlich den Gegenargumenten kaum zugänglich. Jeder sieht die Vorteile auf seiner Seite. Das andere Konzept muss also schlechter sein. Die Campingtischparolen, Fronttriebler haben Traktionsprobleme, Hinterradantriebler schaukeln, sind so weit verbreitet, dass man es kaum mehr hören mag.

Dabei ist es doch ganz einfach:

Es gibt keine optimale Lösung. Es gibt immer nur einen Kompromiss für den jeweiligen Zweck. Selbst die vermeintliche „Eierlegendewollmilchsau“, nämlich Heckantrieb mit Doppelachse hinten, hatte Nachteile, wie wir gleich sehen werden.

Vorteile des Fronttrieblers:

- Einfach zu realisieren,
- Viele Hersteller bieten Chassis dazu an
- Baut vom Chassis her ziemlich tief, besonders mit Tiefrahmenschassis, so dass geringere Bauhöhe und Doppelböden einfacher möglich werden,
- Guter Geradeauslauf (wenn das Fahrzeug einigermaßen gut durchkonstruiert ist, sonst nützt der beste Frontantrieb auch nichts mehr),
- Da keine Kardanwelle nach hinten geführt werden muss, bietet dies Gewichtsvorteile. Außerdem werden bei geringerer Bauhöhe bereits durchgehende Doppelböden möglich, statt Unterflurkästen nur am Rande des Unterbaues, links und rechts vom Leiterrahmen.
- Geringe Bauhöhen haben Vorteile. Das gilt nicht nur für Durchfahtshöhen, wo dies auf der Hand liegt, sondern auch bei einer Panne, da der ADAC z.B. nur bis 3,20m Höhe Fahrzeugrückführungen durchführt.
- Eine geringere Stirnfläche hat in der Regel weniger Luftwiderstand,
- Günstiger Anschaffungspreis, da Chassis meist aus Großserienproduktion stammt.

Nachteile des Frontantrieblers:

- Jedes Reisemobil ist hinten schwerer als vorne. Traktion hat vor allem etwas mit Belastung des Antriebsrades zu tun. Sind die Reifen gleich, treibt die mehr belastete Achse also besser an als die geringer belastete. Der Fronttriebler hat also einen systembedingten Nachteil, der sich physikalisch nicht wegdiskutieren lässt,
- Diejenige Achse, die den Vortrieb bringen soll, muss auch die Seitenkräfte beim Lenken übertragen. Da die Traktion begrenzt ist, kann bei eingeschlagenen Rädern die Traktion zusätzlich geringer werden. Man kennt das, wenn die Hufe scharren, weil man auf glatter Fahrbahn mit eingeschlagenen Rädern losfahren will. Das gilt auch für die Beschleunigung und für das Bremsen, da immer in zwei Richtungen Kräfte übertragen werden sollen.
- Durch die begrenzte Möglichkeit, Antriebswellen anzutreiben und gleichzeitig Vortrieb bei eingeschlagenen Rädern zu ermöglichen, wird der Wendekreis größer sein, als bei einem vergleichbaren Hecktriebler,
- Anhängerbetrieb ist durch die Systemschwäche nur eingeschränkter sinnvoll und durch die Leichtbauweise vieler Rahmen nur begrenzt möglich.

Vorteile des Hecktrieblers:

- Die am meisten belastete Achse muss den Vortrieb bringen, was sinnvoll ist. Eingeschlagene Antriebsräder entfallen.
- Höhere Anhängelasten sind dadurch möglich,
- Ab bestimmten Gewichten und Größen wird Frontantrieb nicht mehr angeboten, so dass der Hecktriebler als einzige Variante bleibt.

Nachteile des Heckantriebes:

- geringere Anbieterzahl bei höheren Gesamtgewichten,
- meistens höherer Anschaffungspreis,
- auch bei wirklicher Glätte, ob nasse Wiese, Schlamm oder Schotter, stoßen die Hecktriebler schnell an ihre Grenzen, wie vielfach querstehende LKW auf bundesdeutschen Autobahnen augenscheinlich beweisen.

Tandemachser, die Vorteile:

- durch die zweite Hinterachse lassen sich die Gewichte auffangen, die lange und schwere Fahrzeuge mit sich bringen. Zudem verteilt sich die Last hinten auf 4 Reifen, ähnlich wie beim Zwilling,
- Große Spurtreue,
- Geringe Wankneigung, so dass selbst im Stand kaum Stützen erforderlich sind,
- Sehr geringe Kurvenneigungen, fast „sportliche“ Fahreigenschaften, soweit man das bei Wohnmobilen so sehen kann,
- Jedes Rad wird einzeln gefedert, dadurch sehr angenehmes Fahrverhalten und sicherer Bodenkontakt, kein Trampeln der Hinterachse/n,
- Überfahren von Rampen, z.B. an Fähren, wird leichter, weil eine der beiden Hinterachsen immer noch „oben“ ist. Das Durchsacken am Heck wird fast vollständig vermieden. Schräg fahren hilft zusätzlich, was auch für Zweiachser gilt.

Die Nachteile des Tandemachsers:

- höherer Aufwand und höhere Kosten als beim Zweiachser (egal ob Front- oder Heckantrieb),
- 6 statt 4 Räder, 6 statt 4 Bremsen, 6 statt 4 Radlager usw..
- Federstabachsen müssen jährlich abgeschmiert werden, was zwar nur 20,- € kostet, aber bei Unterlassung zu sehr teuren Reparaturen führen könnte (Test beim Gebrauchtkauf eines Tandemachsers: Über Bordstein schleichen oder Holzklotz/Auffahrkeil überfahren. Jede Hinterachse muss absolut sauber einfedern und darf die andere Achse nicht sofort mit anheben. Sonst ist die eine Achse auf jeden Fall fest),
- Will man noch mehr Bodenhöhe am Heck gewinnen, weil der Hersteller viel zu tief gebaut hat und ein praxisuntaugliches Gefährt verkauft hat, so müssen zwei Achsen mit Luftfedern ausgestattet werden. Doppelte Kosten. Empfehlung: Ab hinterem Hinterrad-Aufstandsfläche bis zur Unterkante Heck gemessen muss Minimum, absolut wirklich mindestens ein Winkel von 9-10 Grad erreicht werden, sonst wird´s gefährlich. Das gilt auch für alle Zweiachser, damit sich diese Fraktion nicht zu früh freut.
- Ein weiterer Nachteil, dass angeblich der Reifenverschleiß hinten ansteigt, weil bei engen Kurven die Räder radieren, kann von mir nach mehreren Tandemachsern nicht bestätigt werden. Die Lebensdauer der Hinterreifen ist länger, als man sie sinnvoller Weise verwenden sollte.

Zwillingsreifen, die Vorteile:

- Die Traglast wird deutlich erhöht.
- Sonst fällt mir auf Anhieb kein Vorteil ein, nur noch die Nachteile.

Die Nachteile bei Zwillingsreifen:

- auch teurer als normale Zweiachser, insoweit kaum Unterschied zum Tandem,
- Für den Platzbedarf der Zwillingsräder muss die Achse zusammenrutschen. Die Fahrzeuge werden also mehr wanken, weil der Umlenkpunkt des Hebels deutlich weiter innen liegt als bei einem Tandem mit Breitspurfahrwerk oder auch einem normal mit einem Rad ausgestatteten Hecktriebler.
- Wankneigungen im Fahrbetrieb und im Stand erfordern Gegenmaßnahmen, wie Hubstützen, Stabilisatoren, Luftbälge usw. Sind diese nicht serienmäßig vorhanden, erfordert dies teure Zusatzausstattungen, höheres Gewicht, was von der Zuladung abgeht und auch transportiert werden muss, also den Dieselverbrauch negativ beeinflusst,
- Reifenwechsel ohne Fremdhilfe wohl fast ausgeschlossen,
- Schlechte Sichtkontrolle (ggf. auch Luftkontrolle) des inneren Reifens
- Schlechtere Achskonstruktion, da Einzelradaufhängung nicht vorhanden, nur Starrachsen, oftmals mit Blattfedern, mit allen bekannten Nachteilen.

Zum Schluss, der Tandem-Heckantrieb:

Man kennt das: Abschlepper auf Sprinter oder Crafter mit Tandemachse hinten. Hat jeder schon mal gesehen. Ist es DIE Lösung? Wie geht das überhaupt?

Die zweite Achse ist eine Schleppachse, wird also nur mitgeschleppt, treibt aber nicht an. Nachteil liegt auf der Hand: Der eigentliche Vorteil, nämlich höhere Traktion wird sofort ins Gegenteil verkehrt. Die Last liegt nur noch zu 50 % auf der angetriebenen vorderen Hinterachse, was kontraproduktiv ist. In der Regel ist dann die Traktion auf dieser einen Antriebsachse hinten sogar geringer, als wäre Frontantrieb verbaut worden. Rechnen Sie es mal durch. Um diesen Nachteil auszugleichen, kann man deshalb die zweite Achse anheben. Viel Aufwand, der teuer und anfällig sein dürfte und sich bisher im Wohnmobilbereich nicht durchgesetzt hat.

Versuch einer Zusammenfassung:

Wer ein „Dickschiff“ sucht, kommt am Heckantrieb nicht vorbei. Überlegungen zum Für und Wider sind also unsinnig.

Wer in der Mittelklasse bis ca. 5 Tonnen kaufen will, hat die Qual der Wahl. Ich neige dazu, denjenigen, die sowieso nur im Sommer fahren, zum Fronttriebler zu raten. Noch eindeutiger fiele die Empfehlung aus, wenn es für die Fronttriebler wieder Sperrdifferentiale gäbe (Habe Angebot bei Abahme von 10 Stück vorliegen. Erschwingliche einmalige 15.000,- € Entwicklungskosten plus dann die Kosten pro gefertigtes Sperrdifferential, je ca. 1.500,- € plus Einbau. Wer macht mit? Die ersten 10 würden also 3.000,- € je Stück kosten. Die ersten 20 nur noch 2.250,- € usw..).

Bei Anhängerbtrieb geht die Waage Richtung Hecktriebler, da mehr belastbar. Bei ganz leichten Anhängern spielt auch das keine entscheidende Rolle mehr.

Im Übrigen muss sich jeder mit einer Liste oder Plus- und Minuspunkten klar machen, welche Gewichtung er für seine übliche Nutzung vornimmt. Die Aufzählung mag dabei helfen. Ich erfinde die Antriebskonzeptgläubigkeit nicht neu.

Mein Wunsch:

Baut auf Wunsch wieder Sperrdifferentiale in die Fronttriebler ein, am besten 25 % Sperrwirkung automatisch, wie es früher auch bestellbar war.

Zubehörlieferanten: Entwickelt ein Angebot für die gängigsten Antriebe, um eine Nachrüstung zu ermöglichen. Dann hätte man fast die Eierlegendewollmilchsau, jedenfalls im größten Segment.

© Ulrich Dähn, Rechtsanwalt, Bad Hersfeld, 01-2015, www.wohnmobilrecht.de

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